29.09.2007
Nach dem Frühstück bei Daulet werden wir von Tolik, so heißt der Fahrer, abgeholt.
Gespannte Erwartung, sind wir doch auf dem Wege zu dem Ort, den die Schlüssel des Enoch erwähnen. Die Sonne scheint von einem blauen Himmel, vorbei an Baumwollfeldern. Weiter abseits beginnt die Wüste.
Wir singen im Auto, überholen einen Esel am Straßenrand. Bilder aus verschiedenen Zeiten schieben sich übereinander. Gegenwart und Vergangenheit erzeugen eine eigenartige Mischung. Schon die Bibel erwähnt den Esel als Haustier (1.Mo 12,16; 22,3).
Erika erzählt, dass sie früher im Herbst als Studenten mit auf die Baumwollfelder mussten. Es gab keine Ausnahme. Von Morgens bis abends harte Arbeit. Geschlafen wurde in abgelegenen Häusern zwischen den Feldern. Die Gemeinschaft in den Abendstunden gab Kraft für den Tag. Die Baumwolle machte die Finger wund, bis sie blutig waren.
Das kleine Mädchen, das uns die Tage streckenweise begleitete, hatte sich ein paar Baumwollbüschel gepflückt. In dem Büschel sind die Kerne verborgen. Die Finger suchen sie in den Fasern. Es ist mühevolle Arbeit sie herauszuholen.
Und die Gedanken schweifen zu den großen weißen Hügeln, die in unregelmäßigen Abständen abseits der Straße lagern. Alles Baumwolle, alles mit der Hand gesucht, entkernt, gesäubert.
Kungrad-Usbekistan
Das Nachtlager besteht aus einem Teppich. Darüber 2 dickere Decken, auf usbekisch Kurpatscha, mit Baumwolle gefüllt. Als Oberbett wieder eine dünnere Decke. Das Nachtlager ist hart. Die befürchteten Rückenprobleme sind am nächsten Morgen schwächer als gedacht. Nach der zweiten Nacht gar keine Schmerzen. In Kungrad spüre ich ganz deutlich die Luftbelastung. Habe Heuschnupfen- Symptome. Ferner tränen meine Augen, das in einem Brennen endet. Die Symptome verschwinden mit der Zeit. Die hl. Namen baut offenbar ein Schutzschild auf. Das Tränen der Augen kehrt immer mal wieder zurück. Es brennt das Salz der Tränen, Salz, Salzkristalle, Kristallmembran!?
Unser Quartier auf dem Gewächshausgelände gehört Barlikbaji, das er von Insassen dem Gefängnis von Kungrad bewirtschaften lässt. Sie sind bei ihm angestellt, arbeiten im offenen Vollzug. Indira, die uns betreut, Wasser holt, kocht und sauber macht, hat nur noch wenige Wochen, bis sie entlassen wird.
Arbeit zu finden in diesem Land ist fast unmöglich. Zu Zeiten der UDSSR war Usbekistan reiner Rohstofflieferant. Die Weiterverarbeitung geschah in anderen Republiken. Somit war keine industrielle Infrastruktur vorhanden. Nach dem Zerfall der Sowjetunion brachen die Absatzmärkte zusammen, dass Land verarmte. Um zu überleben, bleibt den Menschen oft nichts anderes übrig, als zum Beispiel mit Drogen zu handeln.
Ich kann mit Indira nicht sprechen, muss mich mit den Bildern, die ich sehe befassen. Ihre Haltung spricht nicht von Gebrochenheit. Sie bewegt sich mit einer mir unbekannten weiblichen Würde. Ruhe entströmt ihrer Haltung.
Hohe Räume, wieder ein langer Tisch für mindestens 12 Personen. Ferner wartet ein Weihnachtsbaum mit Leuchtschlauch auf die winterlichen Festtage. Wasser und Strom sind tagsüber abgestellt. Gekocht wird auf einem Gasherd oder offenem Feuer. Die Örtlichkeiten für die tägliche Hygiene sind erbärmlich. Unseren Wasserbedarf decken wir mit gekauftem Wasser aus Plastikflaschen. Das Wasser aus den Leitungen sowie Brunnen sind für uns, nicht abgekocht, schädlich.
In der Nähe des Haus sind Männer damit beschäftigt, Lehmziegel, die Sie vor Tagen formten und in der Sonne trocknen ließen, zu einem Ofen zu verbauen, der, mit Stroh bedeckt, später angezündet wird, um die Ziegel zu brennen. Drei Züge sorgen für die nötige Luftzufuhr
Die Gedanken schweifen in das 2. Buch Mose, 1\ 14
Auch dort mussten die Söhne Israels für den Pharao Ziegel machen. Diese Arbeit geht den sieben Plagen und dem Auszug aus Ägypten voraus.
Hinzu kommt das Element Feuer, spiegelt es doch einen Bezug zur Gotteserfahrung in der Bibel ( Feuerzungen ), sowie dem Feuerkult der Anhänger Zarathustra`s .
Mit großer Gelassenheit nehmen wir die Verhältnisse an, wie sie für uns bereitet sind. Der Abend ist gefüllt mit Studium einer kabbalistischen Ausführung zu unserem Reiseziel.
Gebet, Meditation, Studium. An diesem Ort bereitet es besondere Freude. Gefühlte Führung bei jedem Schritt, bei jeder Handlung. Selbst die Nacht mit ihren fremden Geräuschen, hält mich an, Gott zu vertrauen. Die Müdigkeit begleitet mich in seine Hände.