Der erste Tag in einer anderen Welt
Heute am Samstag beginnt also unser Abenteuer auf russischem Boden.
Sinaida führt uns zum Mietwagen und stellt uns Tatjana Leonidowna und den Fahrer Andrej vor. Tatjana wird uns ein ganzes Stück auf der Weiterfahrt begleiten.
Beide warten auch schon seit Stunden auf unsere Ankunft und wir bewundern ihre Geduld.
Unser Gepäck ist schnell verstaut, alle haben recht wenig Reisegepäck mitgenommen, und die Reise geht nun per Auto weiter.
Die Stadt Tscheljabinsk haben wir dank unserem Fahrer zügig durchquert, ein kurzer Halt noch um Decken und ein Zelt einzuladen, was uns von der Schule an der Tatjana Leonidowna unterrichtet, zu Verfügung gestellt wird. Dann müssen wir erstmal eine Bank aufsuchen um uns mit russischen Rubeln einzudecken. An einem kleinen Supermarkt stoppen wir nochmals um die nötigsten Lebensmitteln einzukaufen. Ein Teil von uns ist erstmal eine Weile mit den Einkäufen beschäftigt und die anderen warten auf dem Parkplatz. Zeit um sich die Gegend und die Menschen anzusehen, die hier am Rande der Metropole einen recht traurigen Eindruck machen. Alles ist grau in grau, die einzelnen Menschen wirken nicht gerade glücklich und einzelne alte Frauen ziehen recht armselig an uns vorbei. Sie tragen teilweise Pantoffeln mit zerlöcherten Strümpfen und tragen an ihren kargen Einkäufen, die sie sich wahrscheinlich kaum leisten können.
Unsere Damen kommen schwer bepackt aus dem Supermarkt und haben sich wahrscheinlich gar keine Gedanken machen müssen, wie wir das nun bezahlen. Eine Kluft zwischen arm und reich, die nicht zu übersehen ist.
Wir verstauen alles im Wagen und setzen die Fahrt fort, verlassen diese große Stadt. Nur noch vereinzelt sieht man Siedlungen und dann beginnt die große Weite. Die Straßenverhältnisse sind hier noch recht gut, wir kommen zügig voran und das Wetter zeigt sich von seiner besten Seite. Wir haben einen strahlend blauen Himmel und angenehme Temperaturen. Unserer Fahrt durch die Steppe steht also nichts mehr im Wege.
Die Landschaft zieht an uns vorüber und so langsam weicht der Wald der Steppe, nur noch vereinzelt finden sich Baumgruppen, in der Regel handelt es sich um Birken oder kleine Kiefern. Der Sommer hat seine Spuren hinterlassen, das Gras ist braun geworden denn es hat in den letzten drei Monaten nicht geregnet und es weht ein stetiger Steppenwind, der uns nun angenehm umweht. Das Klima ist zu dieser Jahreszeit ganz wunderbar, dazu die klare würzige Luft mit einem blauen Wolkenhimmel, der schöner nicht sein kann.
Am Straßenrand stehen nun immer öfter Frauen und Männer, die ihre Waren feilbieten, in der Regel Obst und Gemüse aus der „Datscha“, bei uns als Schrebergarten bekannt. Oft ist es die einzige Verdienstmöglichkeit für die Landbevölkerung und für die meisten Bewohner dieses Landstrichs auch die einzige Überlebensmöglichkeit. Wir haben Glück in einer Zeit reisen zu dürfen, wo es reichlich Obst und Gemüse zu kaufen gibt, und wir halten am nächsten Verkaufspunkt an um uns mit frischem Gemüse und Obst einzudecken. Die intensive Sonne und das Klima haben alles mit einem exzellenten Geschmack heranreifen lassen, etwa die Melonen die wir noch nie besser gegessen haben. Man könnte den ganzen Koffer voll mitnehmen wenn es nur möglich wäre. Außerdem gibt es gebundene Birkenzweige, die man für die Sauna nimmt. Eine Sauna findet sich fast bei jedem Haus in der Steppe. Wir kaufen noch Kartoffeln und Äpfel. Bei den Äpfeln handelt es sich um die so genannten „Augustäpfel“ oder „Klaräpfel“, die man eigentlich zum kochen, also für Kompott verwendet, hier werden sie wie normale Äpfel einfach so verzehrt. Andere Äpfel kommen hier wohl gar nicht zur Reife, denn dann steht der Winter schon wieder vor der Tür.
Wir fahren nun schon einige Stunden und die meisten holen ein wenig Schlaf nach, so weit wie das bei nun zunehmend schlechterem Straßenzustand möglich ist. Die Müdigkeit lässt uns recht lethargisch werden, so das man alles einfach akzeptiert und erträgt. Irgendwann biegt Andrej mit uns von der Hauptstraße ab und es wird zusehends holpriger bis der die Piste irgendwann ganz verschwindet und wir nur noch Steppenboden unter uns haben. Seltsamerweise scheint er den Weg trotzdem zu kennen denn er fährt zielgerichtet immer weiter, durch manches tiefe Schlagloch geht es und mehr als einmal hatte ich Bedenken, ob der Wagen das überhaupt schafft, zumal es zusehends sumpfiger wurde. Irgendwann halten wir an. Wir befinden uns in einem wunderschönen kleinem Waldstück, und Tatjana Leonidowna bewegt uns zum aussteigen. Eine wunderbare Stille umgibt uns.
Der Fahrer scheint schon öfter hier gewesen zu sein, er weist uns den Weg zu einem Fluss, der sich hier durch das Wäldchen windet und im Wald stehen einige Tische und Bänke.
Dieses Gebiet welches man Sanarskij Bor nennt, wurde bei einem Waldbrand vor einigen Jahren fast zerstört, hat sich aber Gott sei Dank wieder gut erholt und zeigt sich in voller Schönheit. Für uns ist es nach dem langen Flug an unserem ersten Tag hier etwas ganz besonderes.
Leider geht es mir nicht so gut, nach der langen Flugzeit und Anstrengung hat sich eine Migräne bei mir ausgebreitet, leider verbunden mit hochgradiger Übelkeit.
Ich versuche sie halbwegs in den Griff zu bekomme, was mir auch einigermaßen gelingt.
Es ist Gott sei Dank kein Totalausfall wie ich es schon oft hatte.